von Albert Morsch (Schriftführer von 1930 - 1933)

Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts wurde zu einer Zeit vieler Vereinsgründungen die Turngesellschaft Wemmetsweiler »aus der Taufe« gehoben. Die Erkenntnis der Wichtigkeit von Leibesübungen für den menschlichen Körper, war im Dorf etwas später gekommen als in dem Ortsteil Michelsberg, wo schon seit 1891 der Turnverein Michelsberg bestand.

Nach den Schriftführerbüchern der Turngesellschaft, die im übrigen lückenlos vorhanden sind, erfolgte die Gründung am 14. Juli 1905 im Lokal Jäcker (heute Kleer-Altenhofen). Die Männer im 1. Vorstand des Vereins waren neben dem 1. Vorsitzenden Josef Kiefer, die Turner Peter Blaß, Johann Jakobs, Josef Kiefer, Josef Kühn und Michael Ries.

Im Gründungsjahr hat unser Ort durch die Gruben und den Bau der Fischbachbahn einen gewaltigen Aufschwung erlebt. Zucht und Ordnung müssen in der damaligen Kaiserzeit geherrscht haben, denn bei der Versammlung der Turngesellschaft stand nach dem Vorlesen der Statuten schon als Punkt 2 der Tagesordnung - Strafen an. Wer 1/4 Stunde zu spät zur Turnstunde kam, musste 10 Pfennig bezahlen, 1/2 Stunde kosteten 20 Pfennig. Nicht entschuldigtes Fehlen 30 Pfennig, viel Geld damals, als z.B. ein »Offizierchen« (klei­nes Glas Bier) 12 Pfennig kostete.

Bezeichnend für die Probleme des Vereins, nicht nur in der damaligen Zeit, war die Notwendigkeit der Beschaffung finanzieller Mittel zur Anschaffung der Turngeräte. Da die Mitgliederbeiträge nicht ausreichten um den Turnbetrieb aufrecht zu erhalten, wurden Bälle an Fastnacht, Silvester, beim Einzug der Rekruten und natürlich an Kaisers Geburtstag veranstaltet. Besondere Initiativen wie das Vorstellig werden einer Kommission des Vereins beim damaligen Brauereibesitzer Schmitt (Schloss Brauerei) in Neunkirchen, zwecks Gewährung eines Darlehens für einen Barren oder die Terminierung eines Sportfestes auf den Tag des Abschlages (Lohnvorauszahlung) abzuhalten, deuten auf geschäftlichen Spürsinn schon damals hin. Da war es dann für die damaligen Turner schon ein Fortschritt, dass das Startgeld beim Wettturnen später von der Vereinskasse gezahlt wurde.

In sportlicher Hinsicht waren die Turner recht aktiv. Sie traten bei den Gauturnfesten des Illtal -Gaues und ab 1918 bei denen des Gaues Blies, dem der Verein beigetreten war, mit starken Riegen auf.

Die starke Dominanz der Bergleute in unserem Ort zur damaligen Zeit zeigt die Tatsache, dass die Turnstunde des Öfteren wegen Wechselschichten auch vormittags abgehalten wurde. Die Leitung der Turnstunden stand unter dem strengen Regiment von Turnwart Jakob Jochum, der sogar einen Vorstandsbeschluss durchsetzte, nach welchem »der 1. Vorsitzende nicht berechtigt ist, auch Kommandos« in den Turnstunden zu geben.

Ein organisatorischer Höhepunkt, den die Turngesellschaft zur damaligen Zeit bewältigte, war das Gaufest am 9. Juni 1912 auf dem Festplatz der Witwe Jäcker. Trotz der vielen zu lösenden Aufgaben wie Festplatzfrage, Musikfrage, Kampf­richtersitzung, Aufstellung des Festzeltes, Ehrenausschuss, Kassenausschuss, Festkommers, Einladung an Ehrengäste und Einquartierung der Vereine war man hoffnungsvoll für das Gelingen, und »man genehmigte sich in dieser Versammlung ein Fass Bier« - »dadurch kam Stimmung auf und man sang heftig Lieder«. Nach den Unterlagen wurden dann bei diesem Gaufest 570 Turner aus 15 Vereinen empfangen, was schließlich nicht verhindern konnte, dass der Kassierer nur auf eine Bilanz von ca. 100 RM Einnahmen bei ca. 600 RM Ausgaben blicken konnte. Dies führte offensichtlich dazu, dass im Folgejahr 1913 wegen »Ebbe in der Kasse« vom Feiern an Kaisers Geburtstag abgesehen wurde.

Nach der diesbezüglichen Erholung, nicht zuletzt dank einer Initiative, bei der jedes Mitglied einen Obolus in Höhe eines Monatsbeitrages entrichten sollte, konnte die Turngesellschaft Wemmetsweiler am 14. Juli 1914 ihre Fahnenweihe unter Beteiligung aller Vereine des Illtalgaues vollziehen. Hierbei hatte der Bruderverein vom Michelsberg, der vorher kaum erwähnt wird, die Patenschaft übernommen.

Die vielen Namen der damaligen Turner sind heute noch im Dorf geläufig: Nau Hermann, Babylon Toni, Mohr Richard, Josef Kiefer, Peter Blaß, Johann Jakobs, Josef Kühn, Michael Ries, Christian König, Wilhelm Theobald, Nikolaus König, Heinrich Gerber, Karl Hoffmann, Ludwig Baltes, Nikolaus Schmitt, Emil Nau, Nikolaus Jochum, Nikolaus Bick, Paul Theobald, Matthias Schmitt, Jacob Bick, Peter Woll, Peter Schmidt, Peter Jochum, Jakob Köbrich, Peter Mohr, Johann Morsch, Jakob Resch, Johann Schütz, Johann Kiefer, Peter Müller, Oskar König, Peter Paul, Peter Schmitt, Peter Reck-tenwald, Peter Kolling, Karl Betzner, Josef Weber, Emil Martin, Ludwig Werkle, Adolf Schulz, Fritz Maurer, Max Hans, Jo­hann Martin, Nikolaus Zimmer, Alois Haben, August Arendt, Karl Martin, Lenard Jochum, Johann Martin, Fritz Wickert, Heinrich Wolter, Albert Morsch, Alois Demmung, Otto Dörr.

Aus der Versammlung vom 21. Juni 1914: »Infolge Mobilmachung der Deutschen Land- und Seestreitkräfte trat der Verein in den Ruhestand«. Schriftführer Josef Kiefer.

Der Noch-Vorsitzende Ludwig Baltes rief schon vor Ende des Krieges eine Sitzung ein, um einen Überblick über die Existenz des Vereins zu erhalten. Fast alle waren wieder auf dem Plan, bis auf 17 Turner, die aus dem Feld nicht mehr zurückgekehrt waren. Für sie wurde im Jahre 1921 eine Ehrentafel bestellt, deren Kosten durch freiwillige Spenden aufgebracht wurden.Die Turnerriege beim 31. Kreisturnfest Aschaffenburg 1922

Das Leben nach dem Kriege ging weiter, der Turngesellschaft gehörten im Jahre 1921 129 stimmberechtigte Mitglieder und 15 Schüler an. Auch die Kasse vermeldet 444,29 RM Bestand, wobei die kulturellen Beiträge der Turner mit Theateraufführungen wie »Der Fremdenlegionär«, »Der Schwarze Ritter« o.a. zu den Einnahmen beigetragen hatten. Eine zeitweilige Beschränkung des Aufnahmealters auf Bewerber unter 24 Jahren ließ man aus besserer Einsicht später wieder fallen.

Mit der Teilnahme von 10 Turnern der Turngesellschaft beim Deutschen Turnfest in München, erlebte der Verein in stürmischer Zeit - die Inflation grassierte - einen Höhepunkt. Eine Beitragserhöhung am 1.4.1922 auf 500 RM sowie ein Jahresüberschuß von 150.213 RM waren Signale, die dazu führten, dass die Versammlung am 29.4.1923 beschloss, die Beiträge in Franken zu erheben. Ein Beitrag von 1/2 Franken garantierte dann zumindest Stabilität auf Zeit. Eine besondere Anerkennung auch für den Verein, die Verleihung des Ehrenbriefes des IX. Mittelrheinkreises für Josef Kiefer.

Ein munteres Vereinsleben, aufgrund des ständigen Treibens von Oberturnwart Jakob Jochum, der mit Regelmäßigkeit den schwachen Turnstundenbesuch bemängelte, wird bezeugt durch die rege Teilnahme des Vereins an Gaufesten in Elversberg, Illingen, St. Wendel und sogar beim Kreisturnfest in Gießen 1925.

Ein großes Ereignis kündigte sich dann 1926 an. Der Turngesellschaft Wemmetsweiler wurde in einer Kampfabstimmung beim Herbstgautag 1925 mit 79 zu 12 Stimmen die Durchführung des Gauturnfestes im Juli 1926 übertragen. Mehrere Kommissionen bereiteten dieses große Fest vor, wobei im Besonderen das freiwillige Engagement der Hebamme und der Sanitäter zu würdigen ist, welche die vorsorgliche Sicherheit bei allen Eventualitäten garantieren sollten. Letztere unter der Bedingung, dass die Turngesellschaft an ihrem Fest eine »Pyramide« am Festplatzeingang baut. Ob später Noteinsätze erforderlich waren, ist nicht bekannt. Nur an eines wird sich die ältere Generation erinnern: Am 2. Tag des Festes wurde durch einen Gewittersturm mit wolkenbruchartigem Regen das Festzelt umgerissen.

Im Jahre 1927 wechselte die Turngesellschaft nach Querelen mit dem Vereinswirt Dörr-Schorr das Lokal und richtete sich im Lokal Altenhofen ein. Hier wurde später Klage geführt, dass bei den vielen dort heimischen Vereinen wie Athleten mit ihrer Ringermatte, Stemmer mit ihren Gewichten sowie Theaterverein »Fidelitas« mit seinen Kulissen einer des öfteren die »Gerätschaften« des ändern umräumen musste.

Die Feste rissen damals nicht ab, viele Preise wurden errungen. Ein großer Erfolg, der 8. Platz der Turngesellschaft unter 261 Vereinen, beim Kreisturnfest in Darmstadt veranlasste dann auch eine besondere Würdigung der aufopfernden Arbeit von Jakob Jochum im Verein. Ebenso ist die Teilnahme am Kreisturnfest 1932 in Trier und am Deutschen Turnfest 1933 in Stuttgart besonders zu erwähnen.

Die Sportplatzfrage spielte zu Beginn der 30er Jahre bis zum Zusammenschluss eine dominierende Rolle. Durch Eigenfinanzierung- Anteilscheine von 10 ffrs. und Arbeitseinsätze der Mitglieder- gelang es, einen Sportplatz »zusammenzubauen«. Am 7. Dezember 1931 hatte man eine Parzelle von 7,22 Ar in den Talwiesen erworben, später am 3. Juli 1933 kaufte der Verein zwei weitere Parzellen, sodass die Turngesellschaft nun ein Areal von 25,59 Ar Größe zu eigen hatte. Diese Teilfläche des späteren Sportplatzes Bahmert wurde in den 70er Jahren an die Gemeinde übereignet.

Seele der Turngesellschaft waren die Turner, die über lange Zeit Ämter begleiteten: Josef Kiefer, Jakob Jakobs als »Turnfinanzminister«, Oberturnwart Jakob Jochum und der 1. Vorsitzende Peter Kolling. Die Arbeit der Turngesellschaft war ein wichtiges Fundament beim späteren Zusammenschluss.

Festzug mit dem Turnverein Wemmetsweiler