von Werner Joachim

Der Turnverein 1891 Wemmetsweiler war zu Beginn der 60er Jahre noch das, was der Normalbürger mit dem Turnbegriff im engeren Sinne verbindet. Die wesentlichen Zielrichtungen der Arbeit war die Förderung und Beschäftigung mit den klassischen Sportarten des Turnens an den Geräten und der Leichtathletik. In einem durchaus familiären Sinne war das Zusammenwirken und die Koordination im Verein, bei damals ca. 450 Mitgliedern von den turnbegeisterten Idealisten um August Ley, zu gestalten.

Durch Bereitstellung der Turnhalle Waldschule im Jahre 1961 und zielgerichtete Werbung hatte der Schüler- und Jugendbereich um Mitte der 60er Jahre enorme Zugänge zu verzeichnen. Hohe Teilnehmerzahlen bei sportlichen Großveranstaltungen des Turngaues, u.a. mit dem Gewinn des Gauwimpels für den besten Verein 1968, 212 Vereinsmitglieder bei der Götzwanderung 1968 nach Güdesweiler, über 200 Kinder beim Kinderausflug und über 40 Teilnehmer beim Deutschen Turnfest 1968 in Berlin, sind Anzeichen für den großen Zuspruch, den das Vereinsangebot in diesen Jahren fand. Der Boom im Nachwuchsbereich ist im Gerätturnen mit dem Namen Günter Schlick und in der Leichtathletik mit dem von Manfred Peter untrennbar verbunden.

Neben den sportlichen Erfolgen im Turnen und in der Leichtathletik wurden in dieser Phase viele Abteilungen neu gegründet: Jedermannsturnen (1967), Turnerjugend (1. Jugendver­sammlung 1968), Ski (1970), Ballett (1970). Die Gründung der Leichtathletikgemeinschaft Saar 70 - LG Saar 70 - und der Beitritt der erstarkten Wemmetsweiler Athleten geht mit auf die Initiative des damaligen Leichtathletikwartes Gerhard Bermann zurück.

Neben den seit 1959 bis 1978 stattfindenden Illtalkampfspielen organisierte der Verein viele Veranstaltungen auf Gauebene für den turnerischen Nachwuchs. Die Götzwanderung 1968 erstmals in der Vereinsgeschichte nach dem Kriege in Wemmetsweiler, fiel buchstäblich ins Wasser und wurde ein Jahr später bei besseren Gegebenheiten auf den Wiesen am Scheidter Weg durchgeführt. Das gleiche Schicksal - »Turnvereinswetter« - auch beim Gaukindertreffen des Jahres 1968, das bei der großen Zahl, von über 650 Meldungen abgesagt werden musste.

Die sehr beengten Verhältnisse in der Sporthalle Waldschule waren seit Ende der 60er Jahre immer wieder Anlass, die Forderung zum Bau einer neuen, größeren Sporthalle zu erheben. Ebenso wurde von der Leichtathletikseite her die Notwendigkeit zur Schaffung eines Geräteraumes am Sportplatz Lange Gewann immer wieder vorgetragen. Letzteres Problem wurde 1973 mit dem Bau einer Garage zur Gerätelagerung bei Eigenbeteiligung durch die Vereinsmitglieder gelöst. Der Bau der Sporthalle wurde ebenfalls durch eigene Initiativen wie Papiersammlungen in der Gemeinde und den Beitritt zur „Ortsgemeinschaft zum Bau einer Mehrzweckhalle“ voran gebracht.

Der Vereinsvorstand zu Beginn der Ära Bermann 1973: vlnr.: Gerhard Bermann,  Gerhard Martin, Günter Bick, Joachim Jochum, August Ley (Ehrenvorsitzender), Günter Dörr, Ernst-Albert Fuchs und Alfred Licht1974 war es dann soweit, die Sporthalle Bahmert wurde eingeweiht und stand für das sich ständig ausweitende Sportangebot zur Verfügung. Im Zusammenhang mit dem erfolgten Hallen-Neubau konnte eine Zusage des Vereins aus den 50er Jahren zur Übereignung der vereinseigenen Parzellen des Sportplatzes Böhmert an die Gemeinde eingelöst werden. Die Übereignung erfolgte bei anteiliger Anrechnung auf die jährlich fällige Hallenmiete und mit der Maßgabe, dass der Platz auch in der Zukunft für sportliche Belange des Turnvereins erhalten bleibt. Die Errichtung einer Wurfanlage mit zwei Wurfringen und Schutzgitter, in Eigenleistung von den Leichtathleten erbracht, bildete 1977 einen wichtigen Markstein für die Entwicklung der späteren Wemmetsweiler Hammerwurftradition.

Mit Gerhard Bermann, der 1973 August Ley nach 20jähriger erfolgreicher Führungsarbeit im Vorsitz des Turnvereins ablöste, ging eine organisatorische Neuordnung einher. Diese war notwendig, um den Verein nach den Neugründungen der Abteilungen Badminton, Volley-, Völker-, Faustball, Ski und Wandern als klassischen Mehrspartenverein noch führbar zu machen.

Waren die Abteilungen bis dahin im geschäftsfüh­renden Vorstand durch den Oberturnwart und den Leichtathletikwart vertreten, wurden sie in der Gesamtheit nunmehr vom stellvertretenden Vorsitzenden (sporttechnischer Bereich) vertreten. Letzterer war gleichzeitig Vorsitzender des Sportausschusses, einem Gremium, das in monatlichen Sitzungen die sport- und spieltechnischen Belange behandelte.

Jede der mittlerweile 14 Abteilungen ist durch ihre Abtei­lungsleiterin bzw. ihren Abteilungsleiter dort vertreten. Der Sportausschuss, zunächst von Alfred Licht bis 1984, dann ein Jahr von Klaus Kasper und danach von Helga Weber geführt, hat sich von der Konzeption einer spezifischen Aufgabenteilung in der Vereinsführung her gut bewährt.

Von den wachsenden Vereinsaktivitäten, bei denen der Turnverein seit Beginn der 70er Jahre als Ausrichter auftrat, mögen hier nur einige in Erinnerung gerufen werden: Gauleichtathletiktage, Leichtathletik-Kreismeisterschaften, Turniere der Ballspielarten, Hammerwurf-Meetings, Gaukindertreffen im sportlichen Bereich sowie Götzwanderungen (1968, 1969 und 1981), Gauwanderungen, Närrische Gaufrauenturnstunden mit über 1200 Frauen 1981 und 1989, Verkaufsstände an Fastnacht, Kirmes bzw. beim Nikolausmarkt im mehr geselli­gen Bereich.

Diese vielen Aktivitäten mit sportlicher und geselliger Zielsetzung waren und sind notwendig zur Selbstdarstellung der Vereinsarbeit in den Fachverbänden und in der Gemeinde. Hierbei wird die eigentliche Arbeit, welche die Mitarbeiter/Innen des Vereins überwiegend im Stillen leisten, erst öffentlich. Die seit 1970 erfolgte jährliche Herausgabe der Jahresberichte hat diese Selbstdarstellung mit zum Ziel. Sie dient jedoch auch dazu, durch die Annoncen ebenso wie durch die Vielzahl der Veranstaltungen die wachsenden finanziellen Rahmenbedingungen zu schaffen, die neben den Mitgliederbeiträgen erfolgreiche Vereinsarbeit erst möglich machen.

In dieser Richtung der Sicherung einer finanziellen Basis, besonders für Notfälle, wirkte die Gründung des Vereins der »Förderer des TV Wemmetsweiler« im Jahre 1982. Das Stammkapital waren damals die Groschen, die August Ley in vielen Jahren bei Freunden und Vorstandsmitgliedern des Turnvereins unermüdlich »erbettelt« hatte.

Eine im wahrsten Sinne des Wortes traditionelle Vereinsveranstaltung, der Turnerball, erlebte um die 70er Jahre mit jährlich über 400 Faschingsbegeisterten seinen Höhepunkt. Bei einer polizeilichen Zählung mussten sogar einmal Besucher fluchtartig den Saal durch die Seitentür verlassen, um ein Protokoll an den Verein wegen Überfüllung zu vermeiden. Sie sind jedoch gleich wieder durch die Haupttor im Wirtschaftssaal aufgetaucht. Wie den Aufzeichnungen zu entnehmen ist, wurde dann seit Anfang der 80er Jahre Klage über den mangelnden Besuch geführt, was sich auch mit einem jährlichen »Minus« in der Kasse auswirkte. Der damals spürbare Trend, weg von der fastnachtsmäßigen Geselligkeit bei Ballveranstaltungen, führte zum Verzicht durch den Verein.

Von der sportlichen Seite her gipfelte eine Entwicklung, die sich seit 1972 aus bescheidenen Anfängen als Wemmetsweiler Hammerwurftradition etablierte, in den herausragenden Leistungen eines Christoph Sahner. Hier soll nur die Erringung der Junioren-Europameisterschaft 1981 in Utrecht erwähnt werden. Die internationalen Hammerwurfmeetings in Wemmetsweiler in den Jahren 1982 bis 1989 mit den »Nachfeiern im Rosengarten« waren mit Höhepunkt im Sportgeschehen und fanden über die Landesgrenze hinaus Beachtung.

Werner Joachim trat 1985 als 1. Vorsitzender in die Fußstapfen des aus beruflichen Gründen ausgeschiedenen Turnbruders Gerhard Bermann. Die Zielrichtung blieb eine qualitative Weiterentwicklung des Vereinsangebots, insbesondere waren im Schülerbereich, wo seit Ende der 70er Jahre die geburtenschwache Jahrgänge fehlten, nach einer Einbruchphase neue Akzente zu setzen. Durch eine qualifizierte und regelmäßige Betreuung und Differenzierung nach leistungsorientierten Sportarten und dem allgemeinen Turnen der »Allgemeinen Bewegung« waren Nachwuchssorgen tabu.

Um dem Problem der Entfremdung in einem Mehrspartenverein zu begegnen, hat man mit dem jährlichen Vereinsfamilienausflug eine Möglichkeit abteilungsübergreifender Begegnungen geschaffen. Ebenso wirkt das Sommerfest des Turnvereins, der Turnermarkt, seit 1986 in den Gartenanlagen Bick durchgeführt, in diese Richtung.

Die kontinuierliche Entwicklung der Mitgliederzahl seit 1960 (siehe Graphik) bis heute auf fast 1300, stellt da schon die Grenze dessen dar, was organisatorisch und vom Sportangebot her ehrenamtlich zu betreuen ist. Bei der Größenordnung des Turnvereins entstehen wachsende Anforderungen organisatorischer und verwaltungstechnischer Art (Mittelbeschaffung durch Veranstaltungen, Gerätebereitstellung, Übungsleitereinsatz, Mitgliederverwaltung, Finanzverwaltung), die bei denen die Verantwortung tragen, in einen Grenzbereich führen.

Die Kapazitäten der beiden Wemmetsweiler Sporthallen Bahmert und Waldschule sind ausgelastet und lassen für weitere Sportangebote nur noch wenig Raum. Daher wird die Zielrichtung weiter die qualitative Verbesserung des Angebotes sein.

In der heutigen Zeit ergeben sich oft Engpässe beim Versuch, sozialaktive Persönlichkeiten zu finden, die für längere Zeit feste Aufgaben in der Führung des Vereins übernehmen.

Der Vorstand zu Beginn der 80er Jahre: stehend v.l.n.r.: Dr. Volker Schneider, Klaus Kasper, Gerhard Bermann,  Walter Licht, Helga Weber, August Ley (Ehrenvors.), sitzend vlnr.: Hilde Schneider, Hans Oswald, Ernst-Albert Fuchs

In der Zukunft könnte sich die Alternative ergeben, bei Anwachsen der Dienstleistungsmentalität die Sportangebote mehr kostenorientiert anzubieten oder aber das ehrenamtliche Prinzip durch mehr Eigenverantwortung und Mitwirkung in der Führungsarbeit des Vereins zu erhalten. Mehr Eigenverantwortlichkeit der Abteilungen; evtl. der Einsatz eines(r) Geschäftsführers(in) bei intensiver Nutzung der EDV auf vereinseigenem Personal Computer könnten hier gangbare Wege sein. Auf die notwendigen Verpflichtungen der öffentlichen Hand habe ich in meinem Willkommensgruß hingewiesen.

Die Geschichte des Turnvereins 1891 Wemmetsweiler hat gezeigt, dass im Laufe der 100 Jahre seines Bestehens, Personen gewechselt und Aufgaben sich gewandelt haben. Vor dem Hintergrund, auch der verschiedener Eigenarten seiner Führungskräfte und der sich ändernden Bedürfnisse im Spektrum der Sportarten, ist eines geblieben: Die Idee des Turnens als freiwilliger Zusammenschluss von Menschen, die sich der Körperertüchtigung und der Gemeinschaft und damit der ganzheitlichen Bildung des Menschen als Wesen mit Körper und Geist, als Individuum und Sozialwesen verschrieben haben.

Möge ein starkes und festes Zusammengehörigkeitsgefühl aller Mitglieder im Gemeinwesen Verein auch in Zukunft die Grundlage bieten, dass der Turnverein mit Zuversicht und Selbstvertrauen in das 2. Jahrhundert seines Bestehens gehen kann - als Großverein im Spannungsfeld von Kontinuität und Wandel.

Der Vorstand des Turnvereins 1891 Wemmetsweiler im Jubiläumsjahr 1991- sitzend vlnr.: Hilde Schneider, Helga Weber, Ursel Jahke,-  stehend vlnr.: Werner Joachim, Dr. Volker Schneider, August Ley, Walter Licht